Die Situation der Frau im Mittelalter war gekennzeichnet durch Unterdrückung und Diskriminierung. Frauen waren in fast allen Belangen Männern gegenüber benachteiligt und standen ihr Leben lang unter männlicher Vormundschaft, genannt „Munt“. Zuerst hatte der Vater, der ältere Bruder oder ein anderer männlicher Verwandter die Muntgewalt inne. Nach der Hochzeit ging diese auf den Ehemann über. Starb er, unterstand die Witwe fortan der Königsmunt, die zumeist vom Stadtherrn, einem Vogt oder einem anderen adligen Beamten ausgeübt wurde.
Munt heißt, dass die Frau im Geschäftsverkehr keine rechtsverbindlichen Entscheidungen treffen konnte – Verträge schloss der Vormund in ihrem Namen ab. Er verfügte außerdem über ihre Finanzen, ihren Besitz und sagte vor Gericht für sie aus, da Frauen nur eingeschränkt rechtsfähig waren und keine gültigen Eide ablegen konnten. Obwohl Frauen in manchen Städten das Bürgerrecht erwerben und zu vollwertigen Bürgerinnen aufsteigen konnten, durften sie zumeist nicht wählen oder für ein öffentliches Amt, etwa im Stadtrat, kandidieren.
Auch im Straf- und Kirchenrecht waren Frauen schlechter gestellt. Sexuelle Fehltritte wie Unzucht und Ehebruch galten im mittelalterlichen Recht als strafwürdige Verbrechen, und Frauen wurden in aller Regel härter bestraft als Männer. Während Männer oft mit einer leichten Buße oder einer Geldstrafe davonkamen, sich also de facto von ihrer Schuld freikaufen konnten, verurteilte man „unzüchtige Frauen“ zu demütigenden Ehrenstrafen; man schor ihnen die Haare, stellte sie an den Pranger oder ließ sie unter dem Johlen der Menge einen Schandstein durch die Straßen tragen. In bestimmten Situationen wurden Ehebrecherinnen sogar geächtet und aus der Gemeinschaft ausgestoßen – oder hingerichtet.
Die Diskriminierung der Frau, die von der Kirche ausging, rechtfertigte man mit der Erbsünde und verschiedenen Passagen in der Bibel. Der Mönch Bernard de Molas schrieb im 12. Jahrhundert:
„Die schändliche Frau, die heimtückische Frau, die feige Frau ... Besudelt Reines, brütet Gottloses aus, verdirbt die Taten ... Voller Lust denkt jede Frau an die Sünde und begeht sie ... Die Frau ist vom Schlechten, und es gibt fast keine, die gut ist ... Sie ist ein fürchterlicher Abgrund, die schlimmste der Schlangen, ein schönes Aas ... Heimtückische Frau, abscheuliche Frau, ekelerregende Frau ... Sie ist der Thronsessel Satans ... flieh sie, Leser!“
Frauen galten demnach als besonders anfällig für das Böse und die Machenschaften des Teufels; ferner sagte man ihnen nach, sexuell verkommen, unehrlich, geschwätzig und eitel zu sein. Obwohl es immer wieder Kirchenmänner gab, die diese biblisch motivierte Frauenfeindlichkeit ablehnten und versuchten, dem entgegenzuwirken, indem sie Frauen ins Heilige überhöhten, blieb das negative Frauenbild das gesamte Mittelalter über bestehen.
Gleichwohl gab es immer wieder Frauen wie Catherine Partenay aus Das Salz der Erde, die allen Widerständen zum Trotz Karriere machten und für sich persönlich eine bessere Rechtsstellung erkämpften. Sie durften Verträge abschließen und Geschäfte betreiben, wurden Handwerkerinnen und Kauffrauen und brachten es zu Ansehen und Wohlstand. In manchen Städten dominierten die Frauen ganze Wirtschaftszweige, beispielsweise das Schank- und Herbergswesen. In Köln durften sich Frauen ab dem Spätmittelalter gar in eigenen Zünften organisieren. So gab es die Frauenzünfte der Goldspinnerinnen, der Seidenweberinnen und der Garnmacherinnen, um nur drei zu nennen. Auch manche Frauen aus dem Adelsstand gelangten zu Macht und gesellschaftlichem Einfluss, etwa Theophanu, die Gemahlin Kaiser Ottos II., die eine ganze höfische Kultur prägte – oder Eleonore von Aquitanien, Königin von Frankreich und England, die heute als eine der mächtigsten Frauen des Mittelalters gilt.
Als sich die Bürger vieler Städte im Hochmittelalter von der Kirche emanzipierten und sich zunehmend selbst verwalteten, hatte das auch positive Auswirkungen auf die gesellschaftliche Stellung der Frau. Gerechtere Regelungen im Erbrecht, den Stadtrechten und den Prozessordnungen der Gerichte waren die Folge. Die grundlegende rechtliche Benachteiligung der Frau durch die Munt blieb freilich erhalten – dies sollte sich erst viele Jahrhunderte später bessern.
Dieser Text ist Teil einer Artikelserie, die sich mit den historischen Hintergründen von Das Salz der Erde beschäftigt. Jede Woche erscheint ein neuer Artikel.
Hinterlassen Sie mir eine Nachricht