Barbarossa und die deutschen Städte

Barbarossa und die deutschen Städte

19 Juni 2013

Friedrich I., genannt „Barbarossa“, und die anderen staufischen Könige und Kaiser waren politisch nicht sonderlich stark. Ohne die Unterstützung der verschiedenen lokalen Machthaber konnten sie das Heilige Römische Reich (HRR) de facto nicht regieren; militärisch waren sie auf die Treue ihrer Vasallen angewiesen, da sie nicht über ein stehendes Heer verfügten. Streitigkeiten mit der Kirche und den mächtigen Metropolen Norditaliens, die immer wieder aufflammten, banden wertvolle Ressourcen und gefährdeten ständig die politische Stabilität.

Die staufischen Herrscher, vor allem Barbarossa, suchten daher nach Verbündeten abseits der römischen Kirche und der mitunter unberechenbaren Reichsfürsten – und fanden sie in den Städten. In vielen Handelszentren des HRR, etwa in Metz, Mainz und meiner Heimatstadt Speyer, strebte die Bürgerschaft im 12. und 13. Jahrhundert nach Freiheit und Eigenständigkeit. Der Kaufmannsstand, vielerorts die treibende Kraft hinter dem wirtschaftlichen und technischen Fortschritt, war zu Wohlstand und Einfluss gelangt. Die Fernhändler, oftmals gebildete Männer mit politischen Ambitionen, waren nicht länger bereit, sich ihrem Stadtherrn unterzuordnen. Größere Städte wurden meist von Bischöfen regiert, die Adelsfamilien entstammten. Sie vereinten in ihrer Person jegliche weltliche und geistliche Macht über die Bewohner ihres Bistums – für die selbstbewussten Kaufleute ein Ärgernis, gegen das sie sich zunehmend zur Wehr setzten. Die Folge waren dramatische und blutige Bürgerkämpfe, wie ich sie in Das Salz der Erde schildere.

Barbarossa hatte erkannt, dass er diese Spannungen zu seinem Vorteil nutzen konnte. Er begünstigte die Bürger der betroffenen Städte mit vielfältigen Rechten und Privilegien, die ihnen Freiheit gegenüber dem Bischof verschafften und dessen Macht einschränkten. Im Gegenzug band Barbarossa die Bürgerschaft an sich, indem er sie Treue schwören ließ und sie verpflichtete, ihm – und nur ihm! – im Fall eines Krieges militärischen Beistand zu leisten. Ein kluger Schachzug, denn die reichen Handelsstädte waren imstande, schlagkräfte Kampftruppen aufzustellen.

Oftmals zog sich dieser Prozess über mehrere Jahrzehnte hin. Barbarossas Nachfolger Heinrich VI., Philipp von Schwaben, Otto von Braunschweig und Friedrich II. setzten seine Politik der Privilegienvergabe fort und verliehen den Städten weitere Rechte, um sich ihre Treue zu sichern. Am Ende dieser Entwicklung schüttelten viele deutsche Städte ihre kirchlichen und adligen Herren gänzlich ab und erlangten vollständige Freiheit. Sie wurden „freie Reichsstädte“ mit einer in Ansätzen demokratisch organisierten Bürgerschaft, einer eigenen Verwaltung und einer gewählten Obrigkeit, die in steuerlichen und militärischen Angelegenheiten allein dem König Rechenschaft schuldete.

Dieser Text ist Teil einer Artikelserie, die sich mit den historischen Hintergründen von Das Salz der Erde beschäftigt. Jede Woche erscheint ein neuer Artikel.

Der Daniel Wolf-Newsletter